20.8.06

Fingerspitzengefühltes 

Eigentlich war das Vorbereiten des Sommerfestes einer befreundeten Kollegin, die anscheinend aus einer Bestattungsunternehmer-Dynastie kommt, aufregend genug. An die Särge, die überall herum stehen, gewöhnt man sich schnell. Meine erste "Begegnung" mit einem Menschen, der das Licht am Ende des Tunnels bereits gesehen hatte, war da wesentlich spezieller. Nur zwei Schritte von dem toten Körper entfernt schwankt man zwischen riesiger Neugier und dem beschämten Gefühl, man würde bei den letzten intimen Momenten stören. Obwohl dieser aufgebahrte Opi ein völlig Fremder war, fühlte ich mich ihm auf eine ganz sonderbare Weise nah.

Für Sentimentalitäten war aber keine Zeit, denn die Vorbereitung für die Bespaßung der quicklebendigen Gäste sollte ja endlich beginnen. Dazu gehörte auch die Verschönerung der kargen Biertische. Kein Problem für André (einen der Mitstreiter) und mich. Riesige weiße und gelbe Papierdecken hüllten die langen Holztische angemessen ein, zur Befestigung sollte so ein wahnsinnig praktischer Werkzeugtacker dienen. Eine ganze Weile klappte und klammerte auch alles wunderbar. Ich war die Meisterin im Ecken einfalten (Männer können ja auch selten Geschenke perfekt einpacken, sondern vertrauen da gerne auf das Geschick der Damen, deren dufter Arbeitgeber zum reinkommen und rausfinden auffordert), und André ein Talent im Festtackern.

Tisch 6 allerdings brachte kein Glück. Es waren nur Sekunden zwischen talentierter Ein-Fältigkeit und meinem Satz "Sag mal spinnst du?". Das war kurz nachdem mir André "Heimwerkerkönig" L Punkt ein Zweitpiercing schenken wollte. Gefiel mir aber nicht so richtig. Also so halb im Nagel, halb im Finger selbst, das sah schon gekonnt aus, aber mir kam dann in den Sinn, dass sich für meine Grafiker-Tätigkeiten an der Maus ein Finger an der linken Hand vielleicht eher angeboten hätte. Zweiter Satz meinerseits war übigens "Ich hab doch meine Krankenversicherten-Karte nicht dabei, Du Depp.", und dritter dann: "Wieso holst du nicht endlich meine Kamera und machst ein Foto? Das glaubt mir doch sonst keiner!".

Der Zufallspiercer konnte allerdings gar nicht hinsehen (auch nicht durch die Linse), sondern überließ die erste Hilfe einem sehr geschickten Daniel an der Pinzette, der Gastmutter mit ihren beruhigenden Energien, der Gastgeberin mit dem beruhigenderen Schnaps und einer massierenden Tine. Was tut man nicht alles für etwas ungeteilte Aufmerksamkeit. Natürlich wurde das Geschehene zur Top-Story des Abends, so dass ich alle Nase lang zwischen Kuchenbuffet, Salattheke und Anstehen am Grill den einwandfreien Zustand des Hauptdarstellers Herrn Zeigefinger unterstreichen musste. Meine berühmten fünf Minuten hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Aber genau genommen waren es ja eigentlich auch seine.

Selbst für gewonnene Erkenntnisse war das Geschehene gut. Frau Schmidt wollte es sich nicht nehmen lassen, diese Vorlage zu verwandeln in einem flachen (O-Ton) "Sei bloß froh, dass André dich nicht genagelt sondern nur getackert hat." Ha!

Passt gut auf Euch auf!

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